Zwischenblick Juni – Juli 2021

Es ist Sommer. Genauer gesagt Mittsommer. Auch wenn es derzeit wieder etwas kühler ist, so haben wir in den vergangenen 2 Wochen doch unglaublich heiße Tage erlebt. Die Natur ist in vollster Pracht: Der Holunder blüht gerade noch, die Wildrosen verschenken sich in betörendem Duft, und die letzten Jasminblütensterne komplettieren dieses unvergleichlich berauschende Duft-Trio. Ich mag davon nicht genug bekommen! Genau das ist die Qualität dieser Zeit: die absolute Fülle! Wir erleben gerade die längsten Tage und die kürzesten Nächte. Ich habe in meinem letzten Zwischenblick die „Zeit zwischen den Jahren“ erwähnt, und damit die Wintersonnwende mit ihren längsten Nächten erwähnt. Gerade befinden wir uns auf dem Jahresrad exakt gegenüber.

Sonnenwende und Mittsommernacht

Auch ich befinde mich gerade in einer Zwischenzeit: Die letzte Probenwoche zu dem Kindertanztheaterstück PhantaNase von und mit der Choreografin Jelena Ivanovic, der Tänzerin Anna Wehsarg, dem Musiker Markus Stollenwerk und dem Schauspieler Rainer Besel hat begonnen, und ich kann über diese Zeit jetzt schon sagen: Was für ein Geschenk! Was für eine Fülle! Nahezu täglich Proben inklusive Tanz-Training … mein Körper und ich danken es mit einem Energie-, und Kraft-Schub sondergleichen. Ich durfte und konnte mein persönliches „Arbeits-Material“ in den vergangenen 7 Wochen um soviel kleinere und größere Werkzeuge erweitern, die da wären Figuren-Entwicklung durch Improvisationen, oder Choreografien einstudieren (ganz ehrlich: es gab Momente, da bin ich an meiner „Koordinations-Legasthenie“ fast verzweifelt).

Neue Herausforderungen

Ebenfalls neu für mich ist es, eine Ensemble-Arbeit in dieser bereichernden Form zu erleben. In meinen eigenen Formaten und Programmen bin ich ja meist die Generalunion oder zumindest die treibende und verantwortliche Kraft hinter allem, und genau dies abgeben zu können, quasi schlicht zu erfüllen (versuchen), was die Chefin will und gemeinsam mit den Kollegen dabei optimale Lösungen zu finden, das gefällt mir gerade auch sehr gut, siehe Foto. Nun steht am 1. Juli die Premiere an und ich weiß jetzt schon, dass es danach womöglich zu dem berühmt-berüchtigten Premierenloch kommen kann, denn auch wenn mich diese nicht nur zeitliche und körperlich fordernde Probenarbeit manchmal an die Grenzen gebracht hat, den Austausch mit diesen vier wundervollen Personen werde ich vermissen. Auch hier ist es gerade „dazwischen“: zwischen Endproben-Gewusel, Nervosität, Jubel-Spaß und dem Gefühl, dass der Höhepunkt (die Premiere) bald überschritten wird.

Vollmond im Juni: Rosenmond

Eben genauso, wie die Sonne dieser Tage den höchsten Punkt erreicht hat. Der längste Tag des Jahres war nun am 21.Juni. Mit der anschließenden Mittsommernacht steht das Rad für ein paar Tage still. Wobei es in diesen Nächten traditionell eigentlich so gar nicht still einhergeht. Feste werden gefeiert und ums Feuer wird getanzt. Hollunderküchlein werden gebacken und gegessen, auf dass diese Stärkung uns möglichst hoch übers Feuer springen lässt, als gutes Omen für die kommende Ernte. In diese Zeit fällt auch Johanni, also der Tag des Johannes. Wie passend, dass wir damit unsere Oper légère– Spielzeit genau mit dem Don Giovanni nun eröffnen durften – hochherrschaftlich noch dazu auf der Burg Vondern in Oberhausen im Rahmen des Freistil-Sommerfestivals der Stadt Oberhausen. Am 20.7. legen wir dort noch mit unserer Carmen nach! Ja, die Kultur läuft allerorten wieder an – und ich hoffe und wünsche mir sehr, dass auch das Publikum wiederkehren möchte. Noch mehr wünsche ich mir, dass sich das Corona-Virus mit all seinen Mutanten zurückzieht und in keine weitere Welle quer durch unser aller Leben wogt.

Glücklich ist, wer vergisst

Ich bin fast ein wenig beleidigt, dass in diesem Zusammenhang die Fledermaus so in Verruf geraten ist. (Natürlich nicht nur, weil wir Johann Strauß‘ herrliche Operette in unserem legeren Repertoire pflegen). Ich persönlich bin so fasziniert von diesen kleinen nachtaktiven Flug-Säugern, die mir wie eine Erinnerung an längst vergangene Welten-Zeiten erscheinen, und die in unserem Dachstuhl wohnen. Auch ihnen begegne ich in einer Zwischenzeit, nämlich in der Zeit zwischen Tag und Nacht. Heute morgen war es 4 Uhr, der Mond verabschiedete sich fast kupferschimmernd auf den letzten Metern seiner Bahn, absolute Stille und im Osten zog schon der türkisfarbene Morgenglanz herauf. Wie Marionetten in einem Guckkastenbühne flatterten die 4 Kolleg*innen ihre letzten Runden vor meinem Balkon, um sich dann ins Gebälk zurückzuziehen. Zwei bis fünf erwartungsvolle Atemzüge meinerseits, und da ist er:

Der erste Triller

Eine einzelne Drossel genießt morgens um 4 Uhr für zehn Minuten den absoluten Solo-Klang ihrer kunstvollen Melodie. Andächtig still hält auch der Tagesanbruch den Atem an, denn soweit, wie diese Melodie nun schallt, wird sie über den Tag mit seinem geschäftigen Lärm nicht mehr klingen. Das weiß die Drossel, glaube ich, so innig wie sie singt. Dann setzen die Kollegen ein. Der nächste ist der Amsler, kurz darauf die Lerche. Sie ist mein absolutes Vorbild, was die Sing-Motivation betrifft: Wussten Sie, dass die Lerche eine halbe Stunde lang ununterbrochen singen kann, während sie fliegt? So ähnlich fühlen sich – nehme ich an – meine legeren Opern-Abende an: 2x 45 Minuten singen und fliegen ohne Unterlass. Ich bin so selig, dass es jetzt wieder los geht: Zwei mal Mozart steht für den Sommer auf dem Spielplan: Neben Don Giovanni wird auch unsere Zauberflöte wieder aufgenommen. Da erwarten uns mit Mozarts zauberhafter Musik auch die einen oder anderen Triller  Auf Schloss Agathenburg  im ländlichen Idyll.

Heumond und Hischgeweih

Apropos Idyll: Heumond wird dieser Mond im Juni auch genannt, weil jetzt meist die erste große Heumahd stattfindet. Mehr zu den Monatsnamen finden Sie auf dieser Seite. Jetzt wird es schnell gehen, dass die Felder gelb werden und die Blütenpracht zu Boden rieselt. Auch dies ist eine besondere Qualität der Zeit: In dieser Fülle erlebe ich die ersten Zeichen des Vergehens und eine gewisse Melancholie zieht bei mir ein. Jetzt werden die Tage wieder kürzen. Ganze 12 Minuten in einer Woche. Es ist eben stets ein Gedeihen und Vergehen. Doch diese Melancholie währt nur kurz, denn es gibt so viel Gedeihliches: Jetzt ist die Zeit, das das Geweih der Hirsche wieder wächst, das sie im letzten Herbst abgeworfen haben. Bis zu 5 Zentimeter wächst so ein stattliches Hirschgeweih pro Tag! Was für eine Leistung! Welche Mengen nahrhaftes Grünzeug muss der Hirsch dafür wohl vespern?!

Gedeihen und wachsen tut auch mein „Rosepin-Kinderbuch-Projekt„. Nahezu täglich tausche ich mich mit der wunderbaren Illustratorin Karolina Golightly aus und wir „schneidern“ unserem Mädchen das einzigartig passende Gewand – ein Geschenk ist diese Arbeit an den Einzel-Charakteren, für die wir uns über den Sommer jetzt ausgiebig Zeit nehmen. Einer der Charakter ist der „Heiklen Heinrich“ – ein Amsler. Sie ahnen, dass auch er – wie alle anderen Figuren – ein Vorbild oder eine zarte Anlehnung aus meinem realen Umfeld hat. Habe ich schon erwähnt, dass der Amsler in meinem Garten morgens in der Früh astrein und silberhell die Melodie von „Tiritomba“ pfeift? Diesen Ohrwurm gebe ich Ihnen gerne mit, da hat die Melancholie keine Chance: Tiritomba gesungen vom wunderbaren Joseph Schmidt.

Jetzt ist es spät geworden, ich geh noch raus, Verdauung-Spaziergang für die letzten Hollerküchlein, und halte Ausschau nach Glühwürmchen. Ihnen wünsche ich angenehm laue Sommernächte,

Ihre Franziska Dannheim

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