21 Okt franzi geht dann heim – der Reise-Epilog
Gut zwei Monate sind nun vergangen, seit ich vom Tegernsee über den Prinzenweg ans Schlierseer Ziel gelaufen bin, direkt ein Bad im flaschengrünen Lieblingssee genommen habe, und damit meine tollkühne, wunderbare, durchgeknallte, bereichernde, anstrengende, beglückende, partiell fast nicht für möglich gehaltene Wanderung „franzi geht dann heim“ gemeistert habe. Von „abgeschlossen“ kann hingegen keine Rede sein.
Vieles wirkt nach, löst sich ein oder auf. Ja, es wird die Zeit vor 2023 und nach 2023 geben. Klingt vielleicht pathetisch, stört mich aber gar nicht, denn es war wirklich groß, großartig: Das Erleben, die Begegnungen, das Wetter, die Erkenntnisse, das Essen – jetzt aber genug geschwelgt, auf ins Detail.
Ich möchte in diesem Resümee gern einen Blick auf die angestoßenen Entwicklungen werfen und kann einläutend nur wieder mit Nachdruck konstatieren: Alles gehört zum Weg, alles gehört zur Medizin.
Wie bezeichnend, dass mir bei einem ersten Spaziergang zurück im Essener Stadtwald eine wundersame, jaguagemusterte Riesenraupe über den Weg gekrabbelt ist. Zuhause habe ich nachgeschaut: sie wird einmal ein „Weinschwärmer“ – keine weiteren Fragen.
Zurück in Essen zum Kunstbaden
Mit dem Zug bin ich also wieder zurück nach Essen gefahren, wollte eigentlich mit dem IC die schöne Rheinstrecke entlangfahren, um meinen Weg retour zu genießen, doch gab es keine passende Verbindung. Schade, hätte gerne mindestens einmal auf Höhe der Loreley gejubelt, vielleicht sogar gejodelt, nun denn – ein anderer mal.
In Essen schien die Sonne prächtig, als wollte dieser außerordentliche Sommer kein Ende nehmen und am Wochenende stand dann schon meine allererster „Musikalischer Reisebericht“ an, für den ich in den vergangenen Tagen wirklich intensiv durch meine Blogaufzeichnungen gewandert war, um meine vierundzwanzig Lieblingsgeschichten den genau so vielen Lieblingsliedern zuzuordnen, zu straffen, zu feilen.
„Kunstbaden“ stand auf dem Programm, eine wunderbare Kultur-Reihe, initiiert und geleitet von Jelena Ivanovic im Grugabad in Essen. Was soll ich sagen – es war wunderbar. In jedem Fall für mich. ich genieße es so sehr, wirklich ungeschönt, offen und ehrlich von meiner Reise, der inneren, wie der äußeren, zu berichten, Fragen zu beantworten und vielleicht die eine oder andere Reise bei den Zuschauern anzuregen.
Tags drauf gab es dann ein doppeltes „Volkslieder zum Mitsingen“ und erneut bekam ich den Beweis, dass das, was ich daute, genau das ist, was ich gerade will und kann. Dahin soll der Weg gehen.
Freibadwetter de luxe, Theater-Eröffnungsfest am Grillo, das jetzt Neues Deutsches Theater heißt, und Ausstellungsbesuch „White Flag“ im Kunsthaus – Essen zeigt sich zu meinem 30-jährigen Jubiläum in dieser Stadt von seiner schönsten Seite, Danke.
Sommerlicher Nachschlag am Schliersee
Nichtsdestotrotz geht es nach knapp drei Wochen NRW-Aufenthalt für mich noch einmal an den Schliersee. Dieses Mal nicht zu Fuß, sondern schnöde mit dem Auto, was in vielerlei Hinsicht gar nicht so beglückend ist. Zum einen erlebe ich auf Höhe Autobahnraststätte Spessart meinen ersten Autobahn-Frontscheiben-Steinschlag. Zuerst knallt es ordentlich und dann kommt dieses knirschende Knacken – saublöd. Zum Glück nicht gefährlich, so eine doppelt zusammengeklebte Verbundglasscheibe fliegt einem ja nicht mehr splitternd um die Ohren.
Und ich habe Glück: bei mir ist noch nicht mal die Sicht besonders gestört. Ich warte trotzdem überraschend kurz auf de gerufenen ADAC-Menschen. Spaziere so lange über den Parkplatz des Rasthofes Spessart und frage mich gerade, was Lilo Pulver wohl im „Wirtshaus im Spessart“ so alles erlebt hat. Da steh er schon vor mir, der gut gelaunte ADAC-Mann mit der erfrischend erleichternden Antwort und ich brause weiter gen Süden.
Als ich ankomme, ist es bereits dunkel und der Schliersee-typische Sternenhimmel zeigt sich in seiner vollsten Pracht. Neumond sei dank ist dieses Firmament so glasklar und strahlend, dass ich neben der kleinstteiligen Milchstraße sogar mein neues Sternbild des Jahres finden darf: Der Adler. Er steht recht nah bei meinem Favoriten-Sternbild: dem Schwan. Schwan & Adler, mehr brauche ich eigentlich nicht. Schon jetzt ist alles wunderbar.
Es geht aber grad so weiter: Der See ist mit seinen 21 Grad noch wunderbar badewarm – Mitte September. Der Ausflug zu den Wasserfällen wird ebenfalls „zur Taufe“ – insgesamt steht diese Aufenthalt ganz im Zeichen des Wassers.
Apropos Wasser: es gilt ja, einige Themen meiner Wanderung aufzugreifen und weiterzubringen. Wer meinen Reiseblog aufmerksam gelesen hat, erinnert sich vielleicht an die Episode,
Elfter August am Walchensee
Da wollte die Dannheimerin partout in der kleinen Kapelle vom Klösterl singen und hatte die bemerkenswerte Begegnung mit dem Hausmeister dieses heute als Jugenbildungsstätte genutzten Kloster-Kleinods, Michael Harzenetter. Der hörte in der Kapelle aufmerksam zu und brachte den balsamischen Satz: „Wollen Sie nicht hierher ziehen? Mir fehlt ein Sopran.“ Genau der richtige Kommentar zur richtigen Zeit, wo ich doch gerade beschlossen hatte, nur noch in Kirchen singen zu wollen.
Daraus entwuchs direkt die Idee, ich könnte doch am 24. September zum Musikalischen Spaziergang wieder nach Walchensee kommen und eine der fünf Kirchen „bespielen“. Was für ein wunderbarer Anlass, meine kleine Magdalenenmesse nun mit dem Sonnengesang des Franz von Assisi zu verbinden – genau mein Resümee dieser bedeutsamen Pilgerreise 2023!
Und ich habe nicht nur in der wundervollen Akustik der Sankt Ulrich Kirche gebadet, sondern im Anschluss für 10 aufregende Tage ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, den leerstehenden Dorfladen in Walchensee zu übernehmen.
Stichwort „übernehmen“ hat mich dann aber schnell zur Vernunft gebracht: Ich kann singen, ich kann schreiben, ich kann zuhören, ich habe starke Phantasie-Kräfte, aber Ladenkalkulation, Einkauf und Rechnungswesen – das gehört in diesem Leben ganz sicher nicht zu meinen Stärken.
Es tat so gut, diesen Gedanken wirklich in aller Ernsthaftigkeit durch zu deklinieren, hat er mir doch wieder ein wenig heller und klarer gezeigt, wo der Weg denn wirklich hingeht. Wie das Adler-Sternbild am nächtlichen Himmel.
Und das war nicht die einzige Schlaufe, die ich geschlossen habe:
Meine Madonna aus Oberammergau
Am 10. August, also genau einen Tag vor dem Walchensee-Ereignis, war ich am frühen Morgen in Oberammergau aufgebrochen und an einer der zahlreichen Holzbildhauerwerkstätten vorbei gewandert. Natürlich lange vor Ladenöffnung, aber mein Blick fiel in den kleinen Schaukasten – viel mehr wurde mein Blick von der darin thronenden Madonna angezogen. Ich kann wirklich nicht sagen warum: aber diese Madonna und ich … das sollte irgendwie so sein.
Habe mich an sie erinnert und daran, dass ich die Telefonnummer abfotografiert hatte. Jetzt stand also ein erneuter Besuch im Kloana Laden von Martin Müller, wie ich ihn recherchiert habe, an: Ob sie aber über Oberammergau oder aber über Unterammergau, oder ob sie überhaupt hinkommt, das war gewiss.
Jetzt thront die kleine Madonna auf meinem Altar in Essen und erinnert mich jeden morgen an die Reise – mit all ihren kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Auswirkungen – alles gehört zu Medizin.
Die Dichte und Tiefe der Ereignisse meines Bayern-Aufenthalts ist damit noch nicht erschöpft. Ja, es wollte wirklich vieles noch einmal betrachtet, ergänzt und durchlebt werden.
So kam es, dass in diesen Tagen ein von mir sehr geschätztes Mitglied meiner großen Familie nach langer Krankheit starb und mir die Bitte zugetragen wurde, die Trauerrede zu halten. Gerne, wirklich sehr gerne mache ich das. Befrage die Familie, die näheren, die ferneren Angehörigen, filtere intuitiv die wichtigen Aspekte, um daraus einen lebendigen, und wohlwollenden Blick auf die verstorbene Person zu kondensieren, damit alle gemeinsam noch einmal gebührend Abschied nehmen können.
Dass ich während dieser Trauerfeier in der St Martin Kirche auch noch mit einer reizenden Harfenistin Stefanie Polifka und einer tollen Organistin Victoria Rothholz musizieren darf, kommt als Sonderbelohnung oben drauf.
Dieses Ereignis, vor allem die Bestätigung, die ich danach erhalten habe, wirkt nach. In Kirchen wollte sie also nur noch singen, die Dannheimerin, das hat sie am 11. August doch so gesagt …
also zählt Franziska hier nun Eins und Eins zusammen, recherchiert ein wenig und lässt sich derzeit ausbilden zur
TÜF-zertifizierten Trauerrednerin
Ja, richtig gelesen. Trauerreden, das kann man einfach so machen – wie ich bisher. Es macht aber unbedingt Sinn, einiges zum Thema Friedhofsrecht, Beisetzung-Pflicht, Umgang mit Bestattungsunternehmen und vor allem Begegnung mit Hinterbliebenen parat zu haben. Und dann werde ich das zukünftig ganz offiziell, bestens vorbereitet und über Omilia eben TüV-zertifiziert in meinem Portfolio anbieten. Ich weiß nämlich, dass ich Menschen begleiten kann, auf ihren letzten Wegen und darüber hinaus.
Darüber hinaus ist ein hervorragendes Stichwort, um auf die nächste Schlaufe, die es zu schließen gilt, zu sprechen, zu schreiben zu kommen. Dafür möchte ich ein wenig ausholen:
Es war im Sommer 1995. Mit meinen beiden sehr kleinen Söhnen verbrachte ich wunderbare Tage auf der Kemater Alm in Tirol. Eine Cornelia – die wir fortan liebevoll die Käse-Conny nannten – verbrachte ihren ersten Sommer auf der Alm, um Käse zu machen. Wir drei halfen mit, wo wir konnten. Hier beschloss ich, selbst ebenfalls und unbedingt einen ganzen Sommer auf eine Alm zu gehen. Am besten, wenn die Kinder etwas größer, also standfester wären. Und dann?
Tja, wie das Leben manchmal so spielt und tobt – ich habe diese Idee über die Jahre vergessen. Sie fiel mir ein am Tag der Einschulung meines ältesten Sohnes – hei, da war der Kummer groß. Chance vorbei – für lange, lange schulpflichtige Jahre dreier Kinder vorbei. Im Anschluss folgten noch ein paar Jahre, da sich das Sommer-Festival-Geschäft der legeren Opernsängerin gut entwickelt hatte. Doch jetzt, jetzt werden die Karte neu gemischt, die Landkarten werden zu Spielkarten oder umgekehrt. Und wenn diese ganzen elenden Konzert-Absagen für irgend etwas gut sind, dann dafür:
Nächster Sommer auf die Alm
Auch hier: richtig gelesen. Ich habe mich beim oberbayrischen Verband für die Verteilung von Alm-Personal angemeldet. Keine Sorge und bitte auch keine wohlgeleinten Ratschläge: ich weiß, was das bedeutet. Habe viele Stunden im Kuhstall beim Misten, Melken und Kälber auf die Welt holen geholfen. Hole mir aber auch hier weitere sinnvolle und dringend notwendige Unterstützung und habe mich bereits fürs kommende Frühjahr zum begehrten „Almen-Kurs“ angemeldet. Bin ehrlich gespannt und auch ein wenig aufgeregt, ich gebe es zu.
Aber ganz ehrlich: nach diesem Jahr 2023, diesem Frühling im Kranksein, dem Sommer auf Wanderschaft und einem Herbst der Reflexion weiß ich klarer denn je: Wenn es einen Wunsch, einen Traum gibt, dann verfolge ihn JETZT.
Wer weiß, wie lange es noch geht. Was steht in den Sternen? Wie günstig steht mir mein Adler-Sternbild? Oder der Schwan?
Und das führt mich nun zur letzten großen Schlaufe dieses Artikels zurück nach Essen, zurück zu meiner unangefochtenen Lieblingsbeschäftigung, ja zu meiner Bestimmung: Meine Stimme. Im Mai noch gäbe es die Blog-Herausforderung mit Judith Peters, die sich mit der Frage nach der Bestimmung beschäftigte. Zu einer Zeit, als ich noch gar nicht wusste, wieviel Stimme sich nach Covid, anschließender Multi-Infektion, inklusive Kehlkopf und anhaltendem Post-Covid überhaupt wieder einstellen, einstimmen will.
Ja, meine Stimme ist wieder da. Ich will meine Stimme erheben für so Manches. Will meiner Bestimmung Folge leisten. Will und werde singen.
Whitney – ein Schwanengesang & Gutes Stündchen & Co.
Ganz aktuell stehen Noten aus Whitney Houstons Oeuvre auf meinem Notenpult. Der Premieren-Termin steht: 8.Januar 2024. Ich bin überrascht, über die fantasielosen Reaktionen mancher meiner langjährigen Veranstalter. Wieviel mein Abend wohl mit Whitney Houston zu tun hat? Ich frage zurück: Wieviel hat meine Oper legere mit der Oper zu tun? Wie viel hat mein Doris Day- Programm mit Doris zu tun?
Unverdrossen begeistert und beglückt richte ich mit dem wunderbaren Pianisten und Komponisten Markus Stollenwerk die Arrangements ein und bin einmal mehr dankbar, meine Lebenszeit=Arbeit mit tollen Menschen gestalten zu dürfen, daran wachsen zu können.
Dasselbe gilt auch für die Zusammenarbeit mit dem Gitarristen Carsten Linck. Sie nahm ihren Anfang in unserem Mitsingen-Format „Es tönen die Lieder – Volkslieder zum Mitsingen“ und wuchs sich über die vergangenen Jahre, in denen öffentlich nicht in großer Runde gemeinsam gesungen werden durfte, zu dem delikaten Programm „Das gute Stündchen“, in dem wir unser beider Lieblingskompositionen von Vivaldi bis Queen zusammengepurzelt habe und ich diese dann noch mit meinen Lieblingsgedichten zwischen Novalis und Djuna Barnes garnieren darf. Ein Fest. Dazu drehen wir in den kommenden Wochen ein Promo-Video und bin gespannt, welche Phantasien das auslösen wird.
Und da aller guten Dinge bekannter Maßen DREIE sind, warten auf meinem Schreibtisch das Exposée und Probekapitel zu meinem Reiseblog, der sich vielleicht zum Buchprojekt auswachsen darf, und zum Live-Programm sowieso.
Goldener Oktober, goldige Aussichten und jeder einzelne der etwa 1000 Kilometer meiner Sommerwanderung Gold wert. Ich werde berichten.
Nun wünsche ich allen ein angenehmes Wochenende, wohlwissend, dass es in vielen Teilen dieser Welt gerade alles andere als angenehm ist. So fokussiere ich mich weiter auf das Schöne und Gute, reflektiere vielleicht irgendwo ein kleinwenig des Goldes zurück in die Welt und verweile in stiller Dankbarkeit für das Glück, dieses – mein Leben genießen zu dürfen,
Ihre Franziska Dannheim
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