07 Sep Meine Werte – Heute geht es um Mut
Es ist, so denke ich, an der Zeit, sich genau zu überlegen, in welcher Welt wir leben wollen.
Jede einzelne Kreatur, die hier auf zwei Beinen über diesen wunderschönen, blauen Planeten läuft, tanzt, rennt, stöckelt, marschiert, spaziert, betrifft das. Einfach nur, wie eh und je, dem Tagesgeschäft von Aufstehen und Frühstück, Arbeit und Aufräumen, Unterhaltung und schließlich dem Zubettgehen Folge zu leisten und dabei, womöglich mit dezent gemusterten Scheuklappen dekoriert, zu hoffen, „alles wird schon irgendwie“ und „hoffentlich zieht das Ungewollte einfach vorüber“ – diese Zeit ist vorbei.
Und welche Zeit ist dann JETZT? Außer der des „Nie wieder“?
Ich verwehre mich grundsätzlich und kategorisch, dem Negativen meine Kraft zukommen zu lassen. Es wird aus meinem Mund, aus meiner Feder, aus meiner Tastatur keine Klagelieder geben, keine Anklage-Tiraden, keine Vorwurfs-Zuschusterung.
Konstruktiv und wertschätzend
Ich fokussiere meinen Blick aufs Wünschenswerte, Erstrebenswerte, Gute und Schöne. Und ich meine diese Begriffe genau so, wie ihr Wortlaut es im Ursprünglichen verheißt. Ich bin es leid, mir durch Filter der eigens auferlegten, rationalen, gesellschaftskonformen und systemgeprägten Begrenzung zu überlegen, was man heute in welchem Rahmen wie formulieren sollte, um niemanden zu kompromittieren. Bin nicht mehr bereit, mich einschüchtern zu lassen, bloß keine anderweitig umgemünzten Kontexte zu touchieren oder überhaupt den richtigen Ton treffen; gar zu befürchten, dass es Menschen gibt, die meine Ideen, vielleicht sogar mich, nicht mögen.
Raus mit der Sprache, worum geht es?Um MUT. Wie geht es? Mit Mut.
Nicht nur heute und in diesem Artikel. Dringend und drängend ist Mut gefragt: Bitte lasst uns dabei Mensch unter Menschen sein und die Qualitäten des Menschlichen, der Mitmenschlichkeit betrachten und beachten. Mitgefühl als eine Stärke pflegen und Egoismus als verletzte Anteile des eigenen Selbst besänftigen und hinter uns lassen. Um dieser sich immer schneller drehenden Welt Ruhepole der Zuversicht zu schenken.
Sehr gerne möchte ich hier mit einigen Wikipedia-Zeilen beginnen, um mich von einer öffentlichen, offen zugänglichen, allgemein in irgendeiner Weise akzeptierten Definition zur eigenen zu entwickeln:
Offizielle Definition von Mut
„Mut ist eine Charaktereigenschaft, die dazu befähigt, sich gegen Widerstand und Gefahren für eine als richtig und notwendig erkannte Sache einzusetzen. Dabei können zwei gegensätzliche Zielrichtungen verfolgt werden: Mut erfordert die Entschlusskraft, nach sorgfältigem Abwägen etwas Unangenehmes oder Gefahrvolles zu tun oder zu verweigern. Beides kann mit Nachteilen für die eigene Person verbunden sein und Opfer erfordern.“ (Wikipedia)
Mut zu entwickeln wird folglich nicht von jedem Menschen gleichermaßen angestrebt. Mut in einer spezifischen Situation aufzubringen wird auch nicht von allen mit Anerkennung bedankt. Mut bedeutet immer, aus der „Komfort-Zone“ zu treten. Wofür?
„Das Wort „Mut“ stammt aus indogermanisch mo- = sich mühen, starken Willens sein, heftig nach etwas streben > germanisch moda = Sinn, Mut, Zorn, vergleiche auch althochdeutsch muot = Sinn, Seele, Geist, Gemüt, Kraft des Denkens, Empfindens, Wollens. Im Hochmittelalter (12./13. Jahrhundert) wird der Mut im Minnesang als hôher muot in der Bedeutung von Hochherzigkeit und Edelmut zur Tugend, als ethische Grundlage und typische Charaktereigenschaft des „edlen Ritters ohne Furcht und Tadel“ , Dieser widmet sein Leben uneigennützig dem Kampf gegen Unrecht aller Art und dem Schutz von Hilfsbedürftigen.“ (Wikipedia)
Hochherzigkeit & Edelmut. Wunderbar. Ich denke an Robin Hood und Richard Löwenherz, mehr noch an Astrid Lindgrens Geschichte der Brüder Löwenherz. Bemerkenswert finde ich, dass keine andere Geschichte von Astrid Lindgren so viel Kritik ausgelöst hat – in der Erwachsenenwelt. Dass hier FÜR Kinder über den Tod VON Kindern geschrieben wird. Dass es in einer Märchenform von „gut und böse“ stattfindet und noch vieles mehr.
Für mich ist es eine Geschichte von (Bruder)Liebe, die über unsere Vorstellungen einer begrenzten Welt hinausgeht; dass es eben immer weiter geht, WENN Dinge zu einem Abschluss gekommen sind. Ein geträumtes, positives Akzeptieren und Erleben des natürlichen Abschieds. Das Buch kann vielmehr Mutmacher sein, eine mögliche Antwort auf die immerwährende Frage: „Was kommt nach dem Tod?“
Ja, ich weine heute noch jedes Mal, wenn ich Brüder Löwenherz lese, und ich tue dies immer wieder. Es ist für mich eine Art Herz-Liebesmuskel-Training, auch im Schmerz den Weg zur Entwicklung zu erkennen. Und dafür benötigt der Mensch Mut.
Mutig zu sein, weiterzuträumen, weiterzugehen, weiterzuleben mit einem Löwenherz, stark und unbeugsam. In diesem Zusammenhang finde ich es amüsant, dass zu dieser Qualität immer der männliche Löwe assoziiert wird, dabei ist aus der Tierbeobachtung längstens bekannt, dass es die Löwin ist, die mutig für den Erhalt der Sippe kämpft und jagt. Aber das nur am Rande.
Mut – eine Frage des Herzens
Courage, in diesem französischen Wort für Mut steckt offenkundig das Herz darin. Das Wort für Herz: le cœur. Die Beherztheit des edlen Ritters kommt mir wieder in den Sinn. Ja, Mut hat unbedingt etwas mit dem Herzen zu tun. Das Herz ist Zentrum des Menschlichen Körpers – so ungefähr. Ich habe mir Leonardo Da Vincis Zeichnung vom Vitruvianischen Menschen (wenn ich das richtig sehe, ist es ein Selbstportrait) angeschaut und darüber sinniert und weitergesponnen.
Der römische Architekt Vitruv hat sich einstens, es mag etwa 30 Jahre vor unserer Zeitrechnung gewesen sein, schon damit beschäftigt. Hier wieder eine kurze Wikipedia-Einleitung: „Zu seinen (Vitruvs)Errungenschaften als Architekt gehörten der Bau der Basilika von Fanum Fortunae, dem heutigen Fano. Er beschrieb auch Töne als eine Bewegung der Luft, erkannte bereits die Wellennatur des Schalls und verglich dessen Ausbreitung mit der von Wasserwellen.“ Wunderbar! Im Anfang war der Klang. Außerdem schreibt Vitruv über Architektur. Dies hat den Proportions-Perfektionisten Da Vinci natürlich fasziniert.
Warum schreibe ich das?
Weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass einem gesunden und wohlwollenden Wertesystem eine gewisse Architektur zugrunde liegt. Und die ist nicht immer von alleine da, gehört leider nicht zur Betriebseinstellung des heutigen Menschen qua Geburt. Sie wird gebildet. Entweder in harmonischem Einklang mit den kosmischen Gesetzen – man denke nur an die Fraktale von Schneckenhäusern oder Königskerz-Blattrosetten, wie auf dem oberen Foto zu sehen – oder eben durch Bildung: Geistesbildung, Seelenbildung, Herzensbildung – alle drei im Einklang, in Harmonie.
Ich habe also in kindlicher Spielfreude Herrn Da Vincis Skizze zu Herrn Vitruvs Ideen nachgezeichnet und mit weiteren System-Ideen ergänzt. Grad so, wie es mir in den Sinn kam – und für mich MACHT das Sinn:
Kühn und frei, möchte sagen: mutig interpretiert, bedeutet die Skizze (unter anderem): Wenn wir uns unserer gesamten Spannweite gewahr sind, lässt sie sich bei einer guten Bodenständigkeit, also in direkter Verbindung zur Erde, gut fokussieren. Dabei kreuzen sich diese Linien mitten im Herz, Herzenskräfte sind also gefragt und werden bestärkt.
Spielarten, Übersteigerung und Fehlleitungen
Als mir die Idee zum Thema Mut kam, assoziierte mein sprachliebendes Hirn sofort all die „Anhängsel“:
Anmut – Unmut – Übermut – Schwermut – Sanftmut – Gemüt & gemütlich – Vermutung – entmutigen – Wagemut – Gleichmut – Hochmut …
Jedem einzelnen könnte ich gedanklich, in Gefühlsregung, Farbe, vielleicht sogar Geschmack nachgehen; bleibe heute und hier aber beim zuletzt erwähnten Hochmut und bemühe ein weiteres mal Frau Wikipedias Ausführungen zum Mut an die Ritterthematik vom Eingang anschließend:
„Das Abgleiten des Rittertums in das Raubrittertum spiegelt sich auch in der Veränderung der Sprachgebung und einem Bedeutungswandel der Begriffe: War die hochmittelalterliche Ethik und der hôhe muot von der mâze (dem Maßhalten) bestimmt, so griffen im 14. Jahrhundert das Maß übersteigende Eitelkeit, Rauflust und Besitzgier um sich. Der hôhe muotwurde zum Hochmut, Hochgemuotheit nahm die Bedeutung Arroganz an. Es entstanden in der Neuzeit Sprichwörter wie „Hochmut und Stolz wachsen auf einem Holz“.“ (Wikipedia)
Den Begriff „Stolz“ habe ich nach den Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen öfter gehört und gelesen. Und er widert mich an. Mehr und mehr. Schon früh konnte ich damit nichts anfangen: „Franziska, bist du stolz auf dein Tun/Programm/CD/Buch?“ oder „Bist du stolz auf Leistungen deiner Söhne?“ Nein. Nein. Nein. Ich „stolziere“ nicht herum – allein diese „Ver-Verblichung“ zeigt meines Erachtens eine negative, artifizielle, angreiferisch gefährliche Konnotation. Im Positiven empfinde Freude, Liebe und Dankbarkeit.
Und wenn es mal nicht positiv ist? Weder zu empfinden, noch zu erleben, zu hören oder zu lesen? Es gibt einen Ausspruch, der mich seit Langem begleitet und von dem ich dachte, er sei aus dem Munde irgendeiner versierten Sozialpsychologin oder eines Psychoanalytikers:
„Angst ist die Abwesenheit von Liebe“.
Ich habe also recherchiert, um hier korrekte Angaben zu machen. Überraschung: dieser Ausspruch ist von Osho. Oha! Es gibt einige Gründe, warum ich auf eine Nähe zu Chandra Mohan Jain, wie Osho bei seiner Geburt 1931 hieß, verzichten könnte, aber dieser Gedanke, diese Formulierung trifft es meiner Meinung nach so haargenau, dass ich mir mutig einen Ruck gebe und den Satz sogar noch einmal bestärkend wiederhole:
„Angst ist die Abwesenheit von Liebe“.
und mit dem nächsten Zitat den Bogen von der Angst zurück zum Mut schlage:
„Mut und Angst werden bisweilen in einem Widerspruchsverhältnis gesehen. Der Mutige scheint angstfrei zu sein oder zumindest weniger von Angstgefühlen belastet. Diese Vorstellung entspricht nicht der psychischen Wirklichkeit: Angst und Furcht sind keine mit dem Mut unvereinbaren Gemütsverfassungen, sondern im Gegenteil Komponenten im Spannungsgefüge verantwortbaren Wagemuts. Sie kontrastieren miteinander, schließen sich aber nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen einander.“ (Wikipedia)
ERGÄNZEN EINANDER. So sieht es aus. Es geht – im allerweitesten Sinne ums „Miteinander“. Ums Verbindende, Integrierende, Wohlwollende. Klare Grenzen zu ziehen bedeutet noch lange nicht, gegeneinander zu sein.
Mut und Aufrichtigkeit.
Ist Mut nun eine Sache, die jede und jeder mit sich selbst ausmacht? Wie sieht es aus in Gemeinschaft? Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn schon nur eine weitere Person meine Ansicht oder Idee teilt und an meiner Seite steht, fällt es mir leichter, mutig für diese einzustehen – auch gegen Widerstände von anderer Seite, manchmal sogar innerer Seite.
Dieser Prozess scheint auch bei anderen zu funktionieren. Je mehr Menschen zum Beispiel ihre Frustration, ihre Verletzungen in rassistischen, antisemitischen oder patriarchalischen, verbalen Wurfgeschossen und Brandsätzen in die Welt schleudern und mit folgender Verharmlosung versehen: „Das wird man ja wohl mal sagen dürfen“, desto mehr Menschen mehr fühlen sich erMUTigt, eigene Beiträge im selben Fahrwasser zu tun. Und hier haben wir es leider bei Weitem nicht nur mit einer Form der MUTprobe zu tun.
Dies sind meine höchstpersönlichen Gedanken zum Thema MUT, dem ich mich immer weiter mutig stellen möchte und zu dem es sicher viele weitere, vielleicht auch widersprüchliche Aspekte gibt. Nachdem ich im oberen Abschnitt die Architektur von Mut erwähnt habe. Möchte ich hier noch eine Art „Anatomie des Mutes“ anführen. Nach Ansicht des Schweizer Fachpsychologen für Psychotherapie Andreas Dick besteht Mut aus folgenden Komponenten:
- eine Gefahr, ein Risiko oder eine Widerwärtigkeit auf sich nehmen bzw. eine Sicherheit oder Annehmlichkeit opfern, was möglicherweise den Tod, körperliche Verletzung, soziale Ächtung oder emotionale Entbehrungen zur Folge haben kann;
- eine mit Klugheit und Besonnenheit gewonnene Erkenntnis darüber, was in einem bestimmten Moment richtig und was falsch ist;
- Hoffnung und Zuversicht auf einen glücklichen, sinnvollen Ausgang;
- ein freier Willensentschluss;
- ein Motiv, das auf der Liebe beruht.“ (Wikipedia)
Da ist sie wieder: die Liebe. Dem habe ich für heute wahrlich nichts hinzuzufügen und überlasse die letzten Worte des heutigen Artikels Herrn Wolfgang von Goethe:
„Eines Tages klopfte die Angst an die Tür.
Der Mut stand auf und öffnete,
aber da war niemand draußen.“
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Posted at 02:29h, 09 September[…] Meine Werte – Heute: Mut […]