10 Mai „Ich kann nicht singen!“ – Wer sagt das?
„Ich kann nicht singen.“ Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Quasi im Brustton der Überzeugung, was in diesem Zusammenhang ehrlich vielsagend ist. Heute möchte ich alle vermeintlichen Bassbrummer, Fistelfiepserinnen und alle ansprechen, die zwei schwingende Stimmbänder haben: JEDER KANN SINGEN und der wo will SOLLTE ES AUCH. Punkt.
Ich weiß, dass jetzt die eine oder andere Profi-Gesangs-Person Schnapp-Atmung bekommt. Also schicke ich eine kleine Konkretisierung hinterher: Jeder kann singen – ob es für eine professionelle Karriere, oder die Teilnahme am ambitionierten Gemeinde-Chor Sinn macht, ist eine andere Frage.
Singen ist ein Urbedürfnis des Menschen
Sehr gerne möchte ich hier aus einem Artikel der Seite Planet Wissen zitieren: „Der griechische Philosoph Platon entwickelte schon einige Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung dazu eine These: Es seien Gefühle wie Aggression oder das Bedürfnis nach sozialer Harmonie, die den Menschen zum Singen bringen … Der Evolutionsforscher Charles Darwin nahm an, dass die Entstehung des Gesangs auf die Werbungsrufe der Vögel während der Paarungszeit zurückgeht. Darwin zufolge fingen die urzeitlichen Männer somit an zu singen, um besser bei ihren Frauen anzukommen und folglich ihre Fortpflanzung zu sichern – und das alles, noch bevor sie überhaupt zu sprechen begannen.“
Sehr spannend. Und in Gänze HIER nachzulesen.
Wie kommt es dann, dass doch ein Drittel aller Männer und ein Viertel aller Frauen behauptet, sie können es nicht?
Die Wege, die bei den Einzelnen zu diesem miserablen Glaubenssatz, zu dieser fatalen Einschätzung geführt haben, gründen meist schon in der Kindheit. Da war der Musiklehrer, der sagte: „Stell dich in die letzte Reihe und bewege lautlos die Lippen!“ Oder die große Schwester, die zeterte: „Kannst du nicht endlich still sein, klingt ja grauenhaft.“
Meine persönliche Erfahrung mit dem „Nicht-Singenkönnen“ kredenze ich Ihnen kurz vor Schluss des Artikels, versprochen.
Bevor ich zu einer kleinen Rundschau anhebe, warum das mit dem Singen, vor allem dem gemeinsamen Singen meines Erachtens nach so sehr zu Wünschen, zu Hoffen und Anzubieten übrig lässt, möchte ich mich selbst zitieren (was für ein Akt des Selbstbewusstseins, vielleicht auch eitler Selbstverliebtheit). Es handelt sich im Folgenden um einen Liedtext aus meinem Roman „Minas Sommer“ von 2017 – und dem habe ich nach wie vor kaum etwas hinzuzufügen:
„Musik ist wo ich herkomm‘
und wo mein Weg hingeht
Heimat, die mich stets umweht
Musik ist mein Glaube, ist mein Gebet,
Sprache, die jeder versteht.“
Unsere Tradition des gemeinsamen Singens
Seit Jahren geht es durch die Presse, die Kindergärten und Schulen, die Vereinshäuser und Konzertsääle: Es wird zu wenig gesungen. Da möchte ich direkt das zusammengeschrumpfte Zitat aus einem Gedicht von Johann Gottfried Seumes zitieren: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“
Und genau da liegt meiner Meinung nach die große Crux, speziell und vorrangig in Deutschland, was das gemeinsame Singen von Volksliedern betrifft. Denn in der Zeit des Nationalsozialismus waren es arg böse Menschen, die die Kraft des gemeinsamen Sieges für ihre bösen Ziele nutzten. Mehr möchte ich darauf hier nicht eingehen. Nur soviel:
Es ist dringend an der Zeit, dass wir uns wieder mehr auf die bestärkende, positive und dem größtmöglichen Wohl aller dienende Kraft des Singens besinnen. Und ich meine da nicht nur das Volkslied an der Grenze zum Kunstlied, wie Johannes Brahms „Lieder im Freien zu singen“, selbst wenn ich sehr gerne im Freien singe.
Andere übrigens auch. Stimmliches Feingefühl hin oder her: was wäre ein Fußballspiel ohne die Motivation-Gesänge der Fans? Wieso haben Talent-Sendungen wie Voice of Germany nach wie vor ungebrochenen Zulauf? Sowohl vor der Kamera als auch vor dem Bildschirm? Wozu gäbe es sonst Karaoke-Bars, in denen nach Herabsetzung der Hemmschwelle durch angemessen Promille geschmettert wird, was die Kehle hergibt?
Singen macht einfach Spaß. Und klappt auch ohne Worte, ohne Sprache und damit ohne Sprachbarriere: Fussball und Singen, das bringt die Menschen immer zusammen – egal wo auf dieser schönen Erden.
Singen fördert die Gesundheit
Über die gesundheitlichen Vorzüge des Singens ist vielerorten schon referiert und geschrieben worden. Ich zitiere hier nur knapp die Schlagwörter: Bessere Sauerstoffversorgung, erhöhte Serotonin-Ausschüttung, Stärkung des Immunsystems, damit deutlich weniger Atemwegserkrankungen, Stabilisierung der Psyche, Gedächtnistraining und noch so vieles mehr.
Gemeinsames Singen setzt dem noch einiges drauf: mehr und bessere Sozialkontakte, eine noch stabilere Psyche, damit noch bessere Abwehrkräfte. Und inzwischen gibt es neben den Gemeinde-Chören auch die unterschiedlichen „Mit-Sing-Formate“, wo es weniger darauf ankommt, SCHÖN zu singen (wobei dieses „schön“ erst mal definiert werden müsste). Es kommt auf das Gemeinschaftserlebnis an.
Ob nun „Der Norden singt“ im Stadtpark Openair oder „Die Lieder tönen“, beim Volksliedersingen von Carsten Linck und mir, am Ende sind alle geflutet, bestens sauerstoffversorgt und einfach glücklich.
FranSingSang – froh zu sein Bedarf es wenig
„FranSingSang“ So lautet die neue Kreation aus der Dannheimschen Format-Schmiede.
Ich bin oft nach unseren Konzerten gefragt worden, ob ich auch Gesangsunterricht geben würde, oder sonst meine Tipps zur Stimmpflege weiter geben möchte. Ein erster kleiner Schritt war da vor einigen Wochen schon mein Blogartikel mit meinen Tipps für kratzfreies Singen.
Darüber hinaus habe ich mir Gedanken gemacht, was und wie ich meine Idee des Singens weitergeben kann. Dabei kam nicht der Einzel-Unterricht heraus. Das überlasse ich sehr gern meinen tollen und versierten Kolleginnen. (Kontakt gebe ich bei Rückfragen gerne weiter).
Ich möchte gemeinsam, in und mit der Gruppe singen. Am Liebsten mit denen, die behaupten, sie können nicht singen, WOLLEN aber so gerne. Also ein Angebot für – ich greife zurück auf meine Einleitung – alle vermeintlichen Bassbrummer, Fistelfiepserinnen und alle, die zwei schwingende Stimmbänder haben.
Erster Arbeitstitel: FranSingSang – da haste Töne – kann gerne noch umgeschmolzen werden.
Dieses Format ist eine konsequente Ergänzung zu unserem Mitsing-Programm „Es tönen die Lieder“. Wer sich und seiner Stimme also fürderhin in heiterer Runde, mit leichten Lockerungsübungen und einfachem Atem-, und Stimm-Training etwas Gutes tun möchte, ist bei mir und meiner simplen Ukulelenbegleitung goldrichtig. Da wird geschmettert, was aufs Notenpult flattert. Wünsche und Anregungen herzlich willkommen.
Angedachter Raum ist das Bürgermeisterhaus in Essen-Werden. Wer Interesse hat, schicke mir eine E-Mail an
kontakt@franziska-dannheim.de
mit Wochentags-Vorschlägen, damit ich planen kann, welcher Tag und welche Uhrzeit sinnvoll wäre. Erste Liedwünsche können natürlich direkt mitgesendet werden. Wobei ich ausdrücklich sage: Das wird KEIN Wunschkonzert im herkömmlichen Sinn.
Auch wenn nun schon viel zum Singen, seinen Anlässen und Wirkungen geschrieben wurde, möchte ich an dieser Stelle zurück zu dem oben bereits in Schrumpf-Version zitierten Lied kommen. Denn es sagt in wunderbar romantischer Manier alles aus, was mir zum Thema wichtig erscheint, von unübertrefflicher Gültigkeit.
Johann Gottfried Seumes Gedicht „Die Gesänge“
Wo man singet, da lass dich ruhig nieder,
ohne Furcht was man im Lande glaubt;
wo man singet, wird kein Mensch beraubt,
böse Menschen haben keine Lieder.
Mit Gesange weiht dem schönen Leben
jede Mutter ihren Liebling ein,
trägt ihn lächelnd in den Maienhain,
ihm das erste Wiegenlied zu geben.
Mit Gesang eilet in dem Lenze
rasch der Knabe von des Meisters Hand,
und die Schwester flicht am Wiesenrand
mit Gesang dem Gaukler Blumenkränze.
Mit Gesang spricht des Jünglings Lieb‘,
was in Worten unaussprechlich war,
und der Freundin Herz wird offenbar
im Gesange, den kein Dichter schrieb.
Männer hangen an der Jungfrau Blicken;
aber wenn ein himmlischer Gesang
seelenvoll der Zauberin gelang,
strömt aus ihrem Strahlenkreis Entzücken.
Mit dem Liede, das die Weisen sangen,
sitzen Greise froh vor ihrer Tür,
fürchten weder Lanzen noch Visier;
vor dem Liede beben die Tyrannen.
Des Gesanges Seelenleitung bringet
jede Last der Arbeit schneller heim,
mächtig vorwärts geht der Tugend Keim;
weh‘ dem Lande, wo man nicht mehr singet!
Der Text erschien erstmals 1804 in der „Zeitung für die elegante Welt“.
nota bene
Nun habe ich eingangs versprochen, Ihnen mein persönliches Nicht-Sing-Waterloo nicht vorzuenthalten. Ja, ich wollte singen. Professionell. Bekam auf dem Weg jedoch zu hören: „Deine Stimme ist zu klein“, oder „Das Material nicht schlecht, reicht aber nicht für die Bühne“, oder „Werd doch Kindergärtnerin, dann kann du jeden Tag mit den Kleinen singen.“
Wirklich niederschmetternd war das Urteil meiner Gesangslehrerin, nach dem ich ihr mein „Repertoire“, ganz gemäß meines Stimmfachs vorgetragen hatte: „It sounds a little bit like Tölzer Knabenchor – und was wollen Sie beruflich machen?“
Womöglich hatten sie alle recht. Zum jeweiligen Zeitpunkt war es vielleicht nicht ausreichend. Also: Wer oder was macht uns Mut, den eigenen Traum zu verfolgen? Einfach so drauf losschmettern? Schamlos den Pavarotti unter der Dusche geben oder die Callas im Waschkeller – beides übrigens Räume mit guter Akustik, das lohnt sich.
Well – statt und trotz „Tölzer Knabenchor“ – I did it my way
Musik ist wo ich herkomm‘
und wo mein Weg hingeht
Heimat, die mich stets umweht
Musik ist mein Glaube, ist mein Gebet.
Du holde Kunst, ich danke dir.
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