29 Mai Wie ich wurde, was ich bin – Meine 9 Initialzündungen auf dem Weg zur Stimm(ungs)wunderkerze
Stimm(ungs)-Wunderkerze – wieder so eine Wortschöpfung der Dannheimerin. Wer jedoch wie ich als Multidilettantin mäandergleich den kreativ-beruflichen Weg beschreitet, möchte lieber sagen, betanzt – für so eine ist es wirklich ein Wunder, dass ich da bin, wo ich bin – und ich bin liebend gerne da, möchte mit niemandem auf der Welt tauschen.
Wem da zur „Stimmung“ eher die Kanone einfällt? Ich bin eher leise an vielen Ideen und Möglichkeiten vorbei spaziert: Habe eben nicht Gesang studiert, nicht Malerei, nicht Jura, bin nicht Tierpflegerin geworden, nicht Bäuerin, nicht Model. „Reich & berühmt“ interessiert mich nicht. Ich will den Luxus, bei einem Spaziergang am Bach stehenbleiben zu können um im Plätschern die Melodie zu erkennen, will Menschen zum ehrlichen Austausch begegnen, will mir fünf Wochen Zeit nehmen können, um die Alpen zu überqueren – daraus speist sich meine Inspiration und meine Lebensfreude.
In diesen bald 52 Jahren gibt es neben meiner tiefen Verbundenheit zur Natur ein paar Initialzündungen – um im Bild der Wunderkerze zu bleiben – die, aus heutiger Sicht betrachtet, schon früh andeuteten, dass es hier in eine kreative Richtung gehen könnte.
1. 1974: Rumpelstilzchen – wilder Tanz mit dem Feuer. „Ach wie gut, dass niemand weiß …“ Mit lodernden Wasserfarben-Flammen und wildem Tusche-Schwung habe ich meinem Temperament als Vierjährige Ausdruck verliehen. Ja, Rumpelstilzchens Jähzorn ist mir vertraut, hat mich schon manchen Teller gekostet, aber Scherben bringen bekannter und bewiesener Maßen auch Glück.
Ich kann mich inzwischen sehr viel wirkungsvoller und Geschirr-schonender ausdrücken: Ein neues Lied, ein neuer Text und schwups – liegt das eben noch gelodert habende Gefühl in Ton, Wort oder Bild geronnen vor mir und ich erfreue mich! Außerdem bin ich wirklich sehr gut im Feuer machen, sogar bei Regen schaffe ich es mit einem Streichholz und OHNE Anzünder-Quatsch, darauf bin ich stolz.
2. 1976: Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn – mein Überraschungserfolg! Der Einritt in die Grundschule, war für mich traumatisch. Ich war frisch nach Stuttgart Bad Cannstatt umgezogen worden, direkt vom Land. Alle anderen Stadtkinder mit ihren Stadtkinderspielen kannten sich schon. Ich war die Neue, und andes war ich noch dazu. Kein leichter Einstieg. Als der Lehrer nun für die Spiel-Lied-Darstellung Freiwillige suchte, war ich dabei: die „nudeldicke Dirn“ war meine Chance. Ich möchte dazu sagen, dass ich bis in meine 20er Jahre tendenziell untergewichtig war. Um so überraschender – vor allem für mich – dass sich bei meiner Darstellung alle über die Schulbänke warfen vor Lachen.
3. 1983: Erste Schritte im Model-Geschäft: Für die Dreizehnjährige kamen erste Anfragen, als Model zu arbeiten. Klar, schmeichelt das, doch für einen Menschen der eher Angst vor der Kamera hat, der eher still und ungesehen beobachten möchte, waren das stets harte Kämpfe, was mir selbst erst viel später klar wurde. Vom „Roten Sofa“ diverser Fotografen in den 1980er Jahren rede ich hier nicht.
Vor Kurzem hat mir der wirklich reizende Fotograf Herb Allgaier erzählt, dass er immer gern mit mir gearbeitet hat, weil ich wohl immer heiter trällernd durchs Studio hüpfte, auch nachts um 2.30 Uhr, wenn die Kampagne für Wrangler fertig werden musste. Apropos grenzwertig untergewichtig: Nur über das Äußere definiert zu werden hat meinem Selbstwertgefühl – trotz und neben vielen wirklich bunten und lustigen Erfahrungen – nicht nur gut getan. Für dieses Äußere danke ich meinen Eltern von Herzen, meine eigenen Werte galt es damals erst noch zu entdecken.
4. 1987: Hollys eigene Band. Den Kosenamen „Holly“ habe ich von meinem Bandkollegen Michael Schill erhalten. Natürlich stand und steht hier Holly Golightly aus „Frühstück bei Tiffany“ Patin. Mehr zum Thema Kosenamen kommt im nächsten Blogartikel.
Mit Schill haben wir eigene Songs gebastelt, es ergab sich einfach so, an seinem Esstisch. Text und Melody von Holly, die leider kein Begleitinstrument spielen konnte und die gewünschten Harmonien dann in Dreierfolge vorsang, bis der genervte Gitarrist irgendwann sagte: „Kauf dir eine Ukulele, Marylin Monroe hat es damit auch geschafft“. Ich bin ihm für diesen wertvollen Tip unendlich dankbar, notiere heute tatsächlich alle meine Lieder mit Ukulele.
5. Ab 1992: Allabendliches, bestes Stimmtraining: Vorlesen. Es ist wirklich genau so gewesen: als meine Kinder größer wurden und die Abendlektüre spannender und ausdauernder, wuchsen auch meine Ambitionen, die Geschichten packend vorzulesen, am Besten sogar mit unterschiedlichen Stimmen für die einzelnen Charakter – ja, auch das Rumpelstilzchen! Ich liebe Grimms Märchen.
Trotz guter Gesangsausbildung kam ich mit zunehmender Vorlese-Ambition an meine Grenzen. Über die zahllosen Bettkanten-Solo-Dramolette habe ich dann meine Atem-, und Stimm-/Stütz-Technik derart verfeinert und optimiert, dass ich heute einen 2 1/2 Stunden-Abend légère Oper, samt Moderationen und diversem, gerne auch lautstarken Schabernack ohne Mikro beschalle, Danke Söhne!
- Foto kommt noch
6. 1996: Mein erster Tango im Ruhrgebiet: Bereits 8 Jahre zuvor wurde mir bei einem Konzert von Olivia Molina 1988 der Tango zum Erweckungserlebnis. Ich habe ich mir im Anschluss all ihre Tangos und Milongas und Valses rein nach Wortlaut und Klang draufgeschafft und im hintersten Stübchen davon geträumt: Wenn ich mal „groß bin“, will ich das singen … Auch heute kann ich en espagñol noch 1a Liebeserklärungen, aber Brötchen kaufen? Schwierig.
1996 begegnete ich auf dem Wochenmarkt in Essen Rüttenscheid am Karottenstand dann Andreas Meese, der damals gerade Bandoneon lernte. Kurz darauf gründeten wir das „Duo Carancafunfa“, und wie in einem geschützten Cocon erarbeiteten wir ein kleines, feines Tangoprogramm. Ich weiß nicht, ob ich wirklich „groß war“, aber genossen hab ich es sehr.
7. 2000: Coco-lorez mit Carmela De Feo – Der Tango bestimmte dann einige Zeit mein gesanglich/berufliches Feld. Wirklich innovativ wurde die Begegnung mit Carmela De Feo. Mit unseren Programmen „Machos y muchachos“ und „Chicas y chiquitas“ haben wir zumindest meine Spontaneitäts-/ Spaß-/ Schmerz-Grenzen wirklich ausgelotet, bis jenseits aller Peinlichkeit- herrlich! Ein Radschlag auf offener Bühne war und ist – neben zahllosen anderen saukomischen Anekdoten – der Höhepunkt. Dank La Signoras umwerfender und überraschender Komik, kann mir heute auf offener Bühne wirklich nichts und niemand mehr schrecken.
Doch dann ging es schrittweise zurück zum Gesang, zum klassischen Gesang. Irgendeine Stimme raunte in mir: „Wenn du das mit der Klassik schaffen willst, dann musst du bis 35 loslegen – wie und warum auch immer.
8. Seit 2007: Oper légère, wie aus der Not die größte Tugend geboren wurde. Jeong-Min Kim und ich kamen zusammen, um gemeinsam mit einem Tenor ein nobles 3-Gänge-Menü mit einem hübschen Potpourri der schönsten Opernarien zu garnieren. Nachdem wir drei Tenöre „verschlissen“ hatten, rutsche es mir ohne nachzudenken raus: „Dann machen wir es doch zu zweit.“
Wie gut, dass ich damals nicht weiter nachgedacht habe, und ohne mit der Wimper zu zucken auch all die feinen Männerpartien übernahm. Noch besser ist, dass sich Frau Kim auf das Abenteuer eingelassen hat, und am Allerbesten, dass wir jetzt 15-jähriges Jubiläum feiern.
9. Heute: Franz Dampf in allen Gassen: Singen, Schreiben, Dichten, Moderieren – ich genieße dieses bunte Allerlei sehr, auch wenn es manchmal mühsam ist, eben KEINE klar umrissene Expertise angeben zu können. Eher ein Gesamtpaket, ein bunter Fächer – siehe Foto 1983 – eine Wundertüte … ich bin eine Stimm(ungs)-Wunderkerze für alle Ton-, und Lebenslagen, jawoll.
Das Schöne ist ja: Ganz gemäß der Nachhaltigkeit – derzeit ja in aller Munde – ist meine Wunderkerze immer wieder aufladbar: Meine Liebe zur Natur und mein leidenschaftliches Temperament werden so schnell nicht erlöschen. Ich kann Feuer entzünden – so oder so …
Ich wünsche einen angenehmen Sommer,
Ihre Franziska Dannheim
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