Novembergedanken – herbstlich & lyrisch

… von allen guten Geistern & Seelen …

das waren die ersten Assoziationen in diesem Monat, denn so geht er ja los, der November: Allerheiligen und gleich darauf Allerseelen.

Wie heilig und selig wird’s mir doch zu Mute, wenn ich an andere Zusammenhänge dieser Festivität, dieses Schwellenfestes denke: Samhain. Der schwarze Jäger übernimmt die Regentschaft und führt zum Ende, was zum Sterben bestimmt ist, entführt die Vegetationsgöttin in die Tiefe der Erde, auf dass sie die Samen und Keime in der Dunkelheit beschütze und mit ihnen im neuen Jahr wieder empor steige, gleich der Bärin, die nach ihrer Winterruhe in der Höhle mit den neugeborenen Jungen zurück in des Leben frühen Frühlings kehrt.

Von Märchen und Mythen

So oder ähnlich erzählen es die Fragmente unseres keltischen Erbes, wie sie es zum Beispiel in Märchen wie „Frau Holle“ oder  „Schneeweißchen und Rosenrot“ überdauert haben oder wie wir es in Heiligen-Tagen, wie dem Hubertustag am 3. November erahnen und erinnern können.

‚Tis the last rose of summer left blooming all alone…

Ja, ich bin ein „Keltenmädle“ – so sprach mich unlängst ein Zuschauerin im Hohenlohischen an, nach dem sie unsere Mariengrüße  erlebt hatte. In diesem Format erzähle ich von Maria und wie ich ihre Bedeutung verstehe, um die Notwendigkeit von Mitmenschlichkeit und Verbundenheit in die Welt hinaus zu tragen, in dem ich von unseren Wurzeln erzähle oder von dem, was ich als „wurzelnswert“ erachte. Ja, nichts Geringeres motiviert mich, auf die Bühne zu gehen, in die Kapelle zu treten, um zu singen und zu erzählen.

In der Burgkappelle von Schloss Stetten unterhielt ich mich also nach dem Konzert mit einer Frau, die sich von meinen Ausführungen zu Maria, Juno, Isis, Artemis, Ishtar und Holle so angesprochen fühlte, dass sie mir sagte, fast offenbarte: „I bin halt a Keltamädle“. Genau. I au.

Wurzeln und Wahrhaftigkeit

Heute bin ich davon überzeugt, dass es gar nicht so sehr darauf ankommt, wie viel Faktisches und inhaltlich Korrektes, wieviel akademisch überprüft und ausgezeichnetes Wissen, wie viele kunstvoll verdrehten Fachbegriffe wir im Gepäck oder auf dem Kasten haben. Viel wichtiger erachte ich das Vermögen, mit sich in und mit der Welt im Einklang, bestenfalls im Reinen zu sein, das eigene Ego hintenan stellen zu können und friedfertig auf den großen Plan zu vertrauen, auch wenn er sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in der Erfüllung der persönlichen Wünsche zeigt.

Ich will nicht zaudern, will nicht klagen, will mich in eine Zukunft schreiben, in der ich rückblickend sagen kann: Ich habe alle Geschichten erzählt. Ich habe nicht weggeschaut. Ich habe dem Guten gedient und bin mir treu geblieben.

Zurück zum November. Sankt Martin samt Laterne zog bereits vorüber. Der kommende Sonntag lädt ein weiteres Mal ein, der Toten zu gedenken: mit dem ebenso benannten Tag, dem Totensonntag und den Protestierenden, Evangelischen ist es da eher nach Ewigkeit zumute, also heißt er bei denen ebenso.

Ich werde auf dem Friedhof am Grab wieder Lichter anzünden und ein kleinwenig  gegen Ewigkeit und zunehmende Dunkelheit protestieren. Außerdem schreibe ich, träume ich lyrisch, bleibe ehrlich, spüre aufrichtig meinen Ahnungen nach, meinen Ahnen nach und erlaube mir, den Gedanken und Beobachtungen in spätherbstlicher Natur recht freien Lauf zu lassen.

 

Novembergedicht

Einzelne Blätter lösen sich aus der Gemeinde, dem Laub
vereint im letzten Zyklus
vom Frühjahr an, dem ersten Knospen und Erblühen
durch die Glut des Sommers

bis ins Gold des Herbstes mit seinen Stürmen

gemeinsam gediehen, gewachsen und gewandelt
farbverwandelt und gedörrt
jetzt im freien Fall
Wandel heißt auch Abschied nehmen, hingeben

der Wind lädt ein zum letzten Tanz und geleitet die bunte Pracht
den angestammten Platz verlassend
im Walzertakt der Erde zu

jedes einzelne Blatt
erfreut sich in der knapp bemessenen Ungebundenheit
des freien Pirouetten-Fluges
an sich selbst

wieder vereint zum Laub
decken sie gemeinsam die Erde zu

in der kommenden Stille
der winterlichen Dunkelheit
wird gewandelt, zersetzt, zerträumt
das Kommende nährend, einer fernen Zukunft zugewandt

hoch droben fliegen Kraniche in filigranen Linien
ihre Abschiedszeilen in die Himmel
ihr seelenvolles, sehnsuchtsvolles Rufen
kündet auch von Ankunft – eben anderswo

und keiner bleibt zurück
stets neu versammelt und formiert
gen Süden sich ablösend, in Linien auflösend
schreiben sie schreiend fort und fort

unten bleibt kein Blatt am Ast
ein jedes wirft sich hinein ins Abenteuer
die eigene Zukunft zu werden

wie das Blatt im Laub
will ich mich in die Erde schmiegen
wie der Kranich im Schwarm
meine Lieder in den Himmel schreiben

und immer wieder alles lösen
nichts erzwingen, nichts einzwängen
bloß nicht im Blühen und Fruchten verhaften

will  vielmehr ergründen
meinen eigenen Bodensatz
nach wertvollem Gehalt durchschauen
aus meiner Asche mir den Phönix eines nächsten Frühling erbitten

dafür benötige ich Schlaf
den tiefen Schlaf, den die Erdmutter sorgsam bewacht
bis das Kommende bereit ist
und erwacht

Mit herzlichen, herbstlichen Grüßen, Ihre Franziska Dannheim

 

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3 Comments
  • Roswitha Böhm
    Posted at 09:27h, 27 November Antworten

    Hallo Franziska!

    Deine Novembergedanken haben mich richtig abgeholt – du beschreibst diese besondere, oft melancholische Stimmung so treffend. ✨ Ich finde es schön, wie du den Fokus darauf legst, auch in dieser „grauen“ Zeit die kleinen, besonderen Momente wahrzunehmen. Gerade der Gedanke, sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen und den Monat als eine Art Übergang zu sehen, hat mir sehr gefallen. ❤️

    Bei uns im Norden sind die Novembertage oft neblig und kühl, aber genau das hat auch seinen Charme – ein guter Grund, sich mit einem heißen Tee und einem Buch einzukuscheln. Hast du vielleicht eine Lieblingsbeschäftigung oder ein Ritual, das dir hilft, die Novembertage besonders wohltuend zu gestalten?

    Vielen Dank für deine wundervollen Gedanken – sie machen den November ein bisschen heller!

    LG Rosi

    • Franzerl
      Posted at 10:35h, 28 November Antworten

      Liebe Rosi, vielen Dank für deine anerkennenden Worte. Wie schön, zu erfahren, dass meine Gedanken irgendwo da draußen in der Welt einen Widerhall finden – und dann auch noch einen so schönen! Du fragst nach einer Lieblingsbeschäftigung oder einem Ritual. Zuerst einmal: ich mag den Herbst wirklich sehr gern und wenn es dann im November richtig trüb und nebelig und unselig wird, setzt mir das kaum zu. Ich schaue die Bäume im Wald, wie sie lichter werden und freue mich am Duft des feuchten Waldbodens. Zuhause zünde ich sehr gern und bewusst eine Kerze an, am liebsten Bienenwachs (kommerzielle Duftkerzen mag ich nicht – und Räucherstäbchen auch nicht). Mit im Sommer von mir gesammelten Kräuterbuschen räuchere ich den Duft der Sommerblumen herbei und beides macht es mir licht und warm – gekrönt von einer Tasse heißem Kakao. Dann schaue ich aus dem Fenster, in die Wolken, den Regen, erste Graupelschauer, beobachte die Vögel im Vogelhaus, herrlich! Liebe Grüße von Franziska

  • Pingback:KW47/2024: Alle TCS-Blogartikel - The Content Society
    Posted at 08:33h, 25 November Antworten

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