28 Okt Oper légère – Don Giovanni, nach Mozart
Don Giovanni. Die Oper aller Opern! So hat es schon E.T.A. Hoffmann, der ein großer Mozart-Verehrer war, bezeichnet. Und ich kann ihm nur zustimmen. Hier folgt nun kurz und knapp der aktuelle Pressetext und im Anschluss meine persönliche Geschichte zum Werk, das nicht von ungefähr 2006 die Initialzündung für Jeong-Min Kim und mich war, unser Format Oper légère zu „erfinden“.
Was für eine Sternstunde in meinem Leben, ehrlich!
Presse-Text
Wein, Weib und Gesang
Mit dem „Don Giovanni“ nach Wolfgang Amadé Mozart eröffnen Franziska Dannheim und die Pianistin Jeong-Min Kim ihre Reihe „Oper légère“. Die Wahl fiel nicht von ungefähr auf Mozarts Meisterwerk rund um den lebenshungrigen Verführer aus Sevilla. Liebe, Tod und Leidenschaft sind in diesem „dramma giocoso“, eben heiteren Drama aufs Dichteste vereint, Höllenfahrt inklusive.
Neben Jeong-Min Kims brillantem Klavierspiel, das mühelos ein Orchester ersetzt, kommt Franziska Dannheims Faible für Baritonarien unter anderem in der Champagnerarie besonders zur Geltung; selbst die Basspartie des Komtur spielt und singt sie als höchst amüsanter und aufschlussreicher Opernführer.
Dieses Format ist nicht nur für Operneinsteiger geeignet, auch Opernliebhaber erfahren Neues: Was hat Singen mit Segelfliegen zu tun und warum sollte Schwäbisch zum offiziellen Bühnendialekt erhoben werden?
Warum Don Giovanni
Genau genommen war es doch von sehr ungefähr: Ich hatte keine Ahnung, auf was ich mich da einlasse, außer, dass ich – als bekennende Stimmfach-Ignorantin – unbändige Lust hatte (und nach wie vor habe) all diese wunderbaren Tenor- und Bariton-, ja sogar die Bass-Partien selbst zu singen. Als Sopran kommt man da sonst NIE dazu!
Die Wahl fiel noch aus einem weiteren Grund auf Mozarts Meisterwerk, da die Partie der Zerline, des Bauernmädchens, die erste Partie war, die ich mit meiner Gesangslehrerin damals vorbereitet hatte, um ein reguläres Vorsingen-Repertoire aufzubauen. Dieses „reguläre Vorsing-Repertoire“ samt aller regulären Vorsing- und Engagements-Wege habe ich letztendlich nie beschritten – und das ist sehr gut so – aber das nur am Rande. Mir war das ganze Werk also gut bekannt, nicht zuletzt hatten wir in unserem Vorläufer-Format Opera Pasta e Basta gemeinsam mit einem Tenor schon einige Arien und Duette vorbereitet.
Und dann lief alles irgendwie von allein. Ein Premierentermin im Alten Bahnhof Kettwig stand an und kurz zuvor gab es eine erste semi-öffentliche Vorpremiere, die uns einen weiteren Bonus bescherte:
Der renommierte Fotograf Manfred Vollmer fotografierte unsere ersten 5 Produktionen, also das Themen-Presse-Motiv UND seither kommen ebenda ALL meine Programme semi-öffentlich zur Vorpremiere!
Noch einmal zurück zu meiner ersten Vorsing-Vorbereitung:
Meine erste Partie
Die Partie der Zerline, eine Soubrette vom Stimmfach her, befand meine Gesangslehrerin also für angemessen und passend für mich. Die Soubrette ist die „muntere Sängerin“, das passt gewiss. Das mit der Stimmfachzuweisung ist jedoch so eine Sache, über die ich an andere Stelle detaillierter schreiben werde
Es ist allgemein bekannt und immer wieder bestätigt, dass Mozarts Musik – in all ihrer scheinbaren Leichtigkeit, ihrer perlenden Champagnerfrische, ihrer violetten Tiefgründigkeit – zum Schwersten überhaupt gilt. Jeder Instrumentalist, jeder Dirigent, jeder Sänger wird mir da sicherlich zustimmen.
Es ist nun ziemlich genau 30 Jahre her, dass sich meine Gesangslehrerin zum Abschluss der Erarbeitungsphase diese Arien der Zerline von mir vorsingen ließ und im Anschluss jenen legendären Satz sagte: „Sounds quiet nice. A littlebit like Tölzer Knabenchor. Und was wollen Sie beruflich machen“.
Alles Weitere und warum ich TROTZDEM singe, erzähle ich im Programm, also auf offener Bühne, nächstes Mal am 12.1.2025 im Bürgermeisterhaus Essen Werden.
Was für ein kühne Idee also, als nicht so ganz identifizierbare Soubrette-Sopran-Sing-Freudige gleich ALLE Partien zu singen, auch im Terzett – und den Chor obendrein! Ich bin meiner wundervollen, zierlichen aber musikalisch um so energischeren Frau Kim unendlich dankbar, dass sie mir dieses Vertrauen entgegen gebracht hat.
Casanova – gestern und heute
Welche Aura umweht so einen Verführer? So einen Casanova? Spätestens nach den #metoo-Debatten der letzten Jahre, gilt es auch in diesem Werk Einiges differenziert zu betrachten. Knappes zu Vorgeschichte und Inhalt:
Mit dem Librettisten Lorenzo Da Ponte entstand ein „dramma giocoso“ – ein heiteres Drama. Beiden Männern war der Lebenswandel des spanischen Titelhelden sicher nicht fremd. Es wird sogar behauptet, dass kein Geringerer als Giacomo Casanova, der sprichwörtliche Verführer und Bekannte von Da Ponte, zur Uraufführung in Prag am 29.10.1787 zugegen war.
HEUTE genau vor 247 Jahren waren Herr Mozart und Herr Da Ponte also im Premierenfieber. Und es soll sich heute vor 247 Jahren während der Premiere zugetragen haben, dass Herr Mozart höchst persönlich der Darstellerin der Zerline, einer gewissen Caterina Saporiti, hinter den Kulissen derart beherzt an die Wäsche griff, dass ihr vom Libretto erforderter Aufschrei nur allzu überzeugend über die Bühnenkante kam. Vielleicht ist das ja nur eine gesponnene Anekdote. Im letzten Abschnitt werde ich darauf noch einmal eingehen.
Jetzt folgt erst einmal ein kurzer Abriss, was im Werk geschieht:
Don Giovanni aus Sevilla will die Welt mit all ihren Verlockungen erobern.
Er liebt das Abenteuer und die Frauen – möglichst alle! Zu viel Testosteron lässt ihn dabei nicht mal vor einem Mord zurück schrecken. Wie der Don nun weitere zehn Frauen in sein „Jagdregister“ verzeichnen will, erheitert im Verlauf weder seinen Diener Leporello, noch die beteiligten Donnae, ganz zu Schweigen vom Tenor des Abend, Don Ottavio, der in der ersten deutschen Übersetzung den Namen „Fischblut“ erhielt, was vielleicht als unfairer Hinweis auf sein Temperament gedacht war, und ebenso wenig den Bauern Masetto, der gerade seine entzückende Braut Zerline zum Altar führen möchte, als dieser Don sie ihm kurz vor der Zielgeraden vor der Nase wegpflücken möchte.
Wenn man davon ausgeht, dass in Mozarts Oper die klassische Einheit von Ort Zeit und Inhalt gegeben ist, dass das Drama also, sei es auch noch so heiter, innerhalb von 24 Stunden abläuft, dann hat er also an einem Tag
1. maskiert und daher unerkannt Donna Anna versucht zu verführen,
2. ihren Vater, den Komptur tatsächlich erstochen,
3. seine eigene Ehefrau Donna Elvira nicht erkennend umgarnt
4. direkt darauf die süße Zerline zwecks Verführung aufs eigene Schloß geladen
5. mehrmals heftig mit seinem Diener Leporello gestritten,
6. ein Fest veranstaltet an dem er weitere zehn Frauen in seinem Jagd-Register verewigen will (der Faltplan trägt seither den Namen seines Dieners Leporello, der die Trophäen ebendahin festhalten muss – siehe Themen-Foto von 2017)
7. der Zofe Elviras ein Ständchen mit klarem Aufforderungs-Charakter gesungen,
8. die Bauern-Kumpel von Masetto zur Ablenkung in die Irre geschickt,
9. Masetto, Zerlines Verlobten, ordentlich verprügelt,
10. in Leporellos Kleidung dessen Braut getroffen und weiß nicht was genau gemacht
11. schließlich die Friedhofstatue des von ihm ermordeten Komptur zum Essen eingeladen. Es gibt Fasan.
Da greift das gerechte Schicksal, also die unterkühlte Vaterfigur, mit steinerner Hand durch und Don Giovanni wird von den Flammen der Hölle verschlungen. Vielleicht war es ja auch nur ein Herzinfarkt. Könnte gut sein bei dem Lebenswandel. Eigentlich ist diese Oper nichts anderes als „Sex and drugs and rock `n roll!“
So viel bis hier zum Drama, soviel zur Heiterkeit des „dramma giocoso“
Kleiner küchenpsychologischer Exkurs
Ich möchte zum Ende dieser Ausführungen noch einmal zum Thema Aktualität, Stichwort #metoo zu sprechen, besser zu Schreiben kommen: Es ist für mich KEINE Option, ein Werk, weil es heute womöglich nicht mehr unseren Vorstellungen von Menschenwürde und Sittenhaftigkeit entspricht, vom Spielplan zu verbannen. Es ist aber auch KEINE Option, einfach alles so heiter und lustig daher zu erzählen, wie ich das anfangs 2007 angelegt hatte. Wir erinnern uns:
Don Giovanni war, wie bereits erwähnt, meine allererste Bearbeitung – gewissermaßen der Prototyp, was die legere Bearbeitung und Darbietungs-Form angeht! Von Mozart und Da Ponte war das natürlich ein unkaputtbares Meisterwerk – zum Glück! Denn wie es Prototypen häufig so an sich haben: Sie sind zwar neu und überraschend – schließlich kam ich gerade aus meiner 5-jährigen Musik-Comedy- Phase mit Carmela De Feo und unserem Duo „Coco-lorez“, aber rückblickend noch nicht vollkommen.
Heute – 17 Jahre nach unserer Don Giovanni-Premiere – SINGE ich nicht nur Einiges anders (Üben hilft!), ich SEHE auch einige Zusammenhänge anders, das will ich dem Publikum nicht vorenthalten. Leben ist Wandel, Erfahrung und Entwicklung – bestenfalls.
Darüber hinaus fehlen in meinem einstigen Ansatz die Bezüge zum Lebenslauf des Komponisten, Zeitgeschehen, etc. Aber das haben wir zum Glück in unseren ZWEI weiteren Mozart-Produktionen nachgeholt: Mozartiade und Zauberflöte.
Der bestrafte Wüstling – so lautet der Untertitel. Und das mit dem „Wüstling“ hat seinen Grund, seine Berechtigung. Ich erlaube mir an dieser Stelle, das Ganze mal von der psychologischen Küchentischkante aus entlang der Frauenfiguren anzuschauen: Das Stück beginnt mit der Traumatisierung von Donna Anna: ein Unbekannter, Maskierter steigt des Nächtens zum Fenster ein, mit klaren Absichten. Der zu Hilfe gerufene Vater wird vom maskierten Täter erstochen.
Und auch wenn der Begriff Trauma heute nahezu inflationär Verwendung findet, er ist hier – Oper hin oder her – absolut angemessen, was die Frauen betrifft. Eine Donna Elvira wurde vom Don einstens aus dem Kloster entführt, zwecks Heirat, aber der Zauber ist bei ihm wohl bald verlasst, er lässt sie einfach sitzen und macht sich auf zu neuen Abenteuern.
Zerline nun, als dritter Frauengestalt ergeht es nicht besser: Sie, ein unerfahrenes und schlichtes Geschöpf, wird auf dem Weg zum Traualtar vom Don weggepflückt, weil der womöglich sein damals tatsächlich übliches jus primae noctis – also das Recht auf die erste Nacht eines Landesherrn mit all seinen weiblichen Untergegeben – ausüben konnte. EKELHAFT. Von Männern erdacht.
Welche Beschädigungen oder Verletzungen dem Verhaltensmuster des Giovanni – weniger „San“ denn „Don“ – zugrunde liegen könnten, das lässt der Ansatz erahnen, dass Mozart in den Zügen des Komptur auch die eiserne/steinerne Hand seines eigen Vaters verarbeitete.
Und da sind wir ganz zum Schluss wieder bei ihm, bei Mozart, dem Komponisten dieser grandiosen Musik, zauberischer Jongleur zwischen Heiterkeit und Melancholie, zwischen himmelhoch jauchzend und verloren im Bodenlosen.
Was für ein Glück, dass mich Schicksal, Intuition, Zufall und eine gehörige Portion Chuzpe auf diese Fährte geführt haben. Und noch ein größeres Glück, dass wir mit genau dieser Oper unser Konzertieren im Januar 2025 wieder aufnehmen. Danke Wolfgang, danke Jeong-Min.
Titel-Foto: Monique Urbanski
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